Kein Fußballgott im Land der Aufklärung
Jetzt, wo sich die Phase der Gruppenspiele bei der WM ihrem Ende nähert, sollte man kurz innehalten und einen Scherbenhaufen analysieren. Denn was die Französische Nationalmannschaft dieses Mal erreicht hat ist aller Ehren wert. In der Vorrunde haben sie insgesamt 1 Tor geschossen und damit genau eines mehr erzielt als bei der Vorrunde vor 8 Jahren, wo sie als damals amtierender Weltmeister ohne ein einziges Tor geschossen zu haben nach Hause fliegen mussten.
Damals war der in diesen Tagen viel beschworene Zidane, der vier Jahre später durch seine Kopfstoßattacke im WM-Finale von sich Reden machen sollte, noch dabei. Was ist – so sollte man Fragen – mit dieser Mannschaft los, die bei der WM im eigenen Land 1998 noch alle Experten und auch viele Fußballfans für sich begeistern konnte?
Natürlich, die Fans aus Irland werden einwerfen, dass es sich beim Auftritt der Équipe Tricolore um eine gerechte Gottesstrafe handelt. Denn schließlich hat sich diese Mannschaft nur durch ein irreguläres Tor ihres Rekordtorschützen Thierry Henry für die WM-Endrunde qualifizieren können.
Nicht umsonst, so könnte man also annehmen hat dieser Stürmer kein Tor in Südafrika schießen können. Doch die Erschütterung dieser Mannschaft sitzt tiefer und wird durch den, schon vor dem WM bekanntgegebenen Trainerwechsel so wenig aus der Welt zu schaffen sein, wie es sich hierbei um eine Gottesstrafe handelt.
Auch die Empörung, die unser Nachbarland erfasste, als bekannt wurde, dass Nicolas Anelka Trainer Domenech heftig beschimpft hatte, ist lediglich ein Fingerzeig für eine tiefgreifende Verwerfung. Anelka konnte nur deshalb zu einem Spieler werden, dessen Transfersumme mittlerweile bei über 130 Millionen Euro liegt, da er sich regelmäßig mit Fans, Mitspielern oder Trainern zerstritt und von daher stets nach kurzer Zeit den Verein wechseln musste.
Sehr wahrscheinlich steht der Équipe ein tiefgreifender Wandel bevor. 10 Jahre nach der gewonnenen Europameisterschaft müssen wohl die letzten Aktiven dieser glorreichen Zeit das Feld räumen, um einer neuen Generation Platz zu machen. Die Wiedergewinnung der Identifikation Frankreichs mit seiner Nationalmannschaft wird Zeit brauchen.
Ob der neue Trainer Laurent Blanc hierfür der richtige Mann ist, wird sich herausstellen, schließlich war er damals der Kapitän der Weltmeistermannschaft.
Was das alles mit Essen zu tun hat? Nun, in Italien – dem selbstgefühlten Mutterland des Fußballs – ist man schon lange darauf gekommen, dass Fußballspielen und besonders das Zuschauen ein Genuss sein muss. Von daher schimpfen die Tifosi nach dem schlechten Auftreten bei der WM bisher auch auf die Azzuri und bezeichnen ihre Nationalmannschaft als „Minestrone riscaldata“ – aufgewärmte Gemüsesuppe.
Man darf gespannt sein, wie die Deutsche Mannschaft – die sich im Schnelldurchlauf ein jugendliches Image jenseits der alten Leitwolfmetaphern zugelegt hat – nach ihrem Spiel gegen Ghana bezeichnet wird. Sauerkraut? Süßkirsche? Sahnehäubchen?
Santé!