Kant war alleine
Philosophen werden auch heute noch gerne wie Heilige vorgestellt. So, als wäre Denken jenseits von Genuss angesiedelt. Allerdings ist wohl das Gegenteil der Fall. Erst die sinnlichen Eindrücke regen den Verstand an. Betrachtet man den Einfluss, den Frauen auf die großen Denker des Abendlandes ausgeübt haben, dann erkennt man, dass er sicherlich nicht unerheblich war, auf der anderen Seite aber auch, dass man gar nicht sehr viel darüber weiß.
Man sollte es kaum glauben, aber von den Denkern, die nicht der katholischen Kirche zuzurechnen sind, und insofern andere Lebensformen als die mit einer Frau an ihrer Seite wählten, gibt es nur wenige, die keine Lebenspartnerin hatten. An diese Stelle wäre zunächst Ludwig Wittgenstein als – zu seiner Zeit ein sehr mutiges Statement – bekennender Homosexueller zu nennen. Von den anderen Geistesgrößen wissen wir, mit Ausnahme von Honore de Bergerac der sich ebenfalls vom gleichen Geschlecht angezogen fühlte, fast ausnahmslos, dass sie mit Frauen an ihrer Seite lebten und mit diesen zum Teil auch gedanklich sehr eng verbandelt waren. Es waren also nicht einfach Musen, welche die Denker anregten, sondern durchaus Partnerinnen in Gespräch und Diskussionen.
Karl Marx war seiner Jenny von Westphalen nahezu hörig und wer weiß, welchen Einfluss sie auf die Entstehung des Kapitals und des Kommunistischen Manifests gehabt hat. Hegel, dem wir es gar nicht zutrauen würden, war nicht nur ein Mann der seine Phänomenologie des Geistes schrieb und in seinem Frühwerk seine Schrecken der Nacht der Welt für immer auf Papier bannte, sondern der ebenso dem Wein wie den Frauen zusprach. Weniger bekannt als seine Werke sind daher auch sein Hang zu gutem Essen und die Existenz seines unehelichen Sohnes.
Schaut man in der Geistesgeschichte weiter zurück, bilden sich unweigerlich weitere Fragen:
Wie gestaltete sich wohl der Einfluss von Helena auf ihren Gatten Descartes? Wie sehr war Dantes Göttliche Komödie von seiner Frau Gemma beeinflusst? Friedrich Nietzsche, erzählt in seinem Werk mit dem bezeichnenden Titel Menschliches, Allzumenschliches davon, dass es in Wahrheit erst Xanthippe war, die Sokrates das eigene Heim so unheimlich machte, dass er sich genötigt sah auf den Plätzen Athens die Passanten in rhetorische Zwiegespräche zu verwickeln, um nicht wieder zu seiner schimpfenden Frau gehen zu müssen. Vielleicht also ist der Beginn der Philosophie des Abendlandes in Wirklichkeit dem Einfluss einer Frau zuzuschreiben.
Der Vater der Aufklärung Immanuel Kant bleibt also ein Sonderfall: der große Philosoph aus Königsberg lebte ein Leben Jenseits der Frauen. Allerdings nicht Jenseits des Genusses. Denn er hatte nicht nur eine Liebe zum Anrühren von Senf, sondern ebenfalls zu seinen regelmäßigen ausschweifenden Mittagessen, zu denen er stets trink- und diskussionsfreudige Freunde bat.
Santé!