Chefsache
„Junge Menschen bringen manchmal eine Menge zusammen, besonders wenn sie in die Jahre kommen und sich immer noch nicht um ihre Altersvorsorge kümmern.“ Schrieb ich im vergangenen Jahr in der Einleitung eines wunderbaren Buches über die Kunst der Einseitigkeit.
Nicht minder scheint diese Aussage auf das Trio Kulinaris zuzutreffen. Denn Ralf Bos, Jürgen Dollase und Thomas Ruhl geben nicht nur regelmäßig preisgekrönte Bücher heraus, verfassen wegweisende Artikel rund ums Kochen und die Probleme der Gourmandise, spüren nicht nur neue Kochtrends auf und publizieren die wahrlich einzigartige kulinarische Zeitschrift „Port Culinaire“, sie sind zudem die Hauptinitiatoren der „Chefsache“.
Oberflächlich betrachtet arbeiten diese Menschen also sehr einseitig auf dem harten und unzugänglichen Feld des Geschmacks. Doch sie unternehmen es auf eine solch vielschichtige und elegante Weise, dass auch den flüchtigen Betrachter klar wird, dass man über Geschmack nicht nur streiten, sondern vor allen Dingen eine Menge lernen kann und das vor allen Dingen täglich.
Die 2. Auflage der Chefsache fand am 24. Und 25. Oktober im Kölner E-Werk statt. Hier versammelten sich über 1.000 Besucher, um den Ausführungen der Initiatoren, mehr aber noch, den Präsentationen der Spitzenköche zu folgen. Dabei gelang es vor allen Dingen 2 Stars aus diesem Feld, das Publikum mit ihren Ausführungen in Bann zu schlagen.
Wie Joachim Wissler es vermochte, einen Einblick in seine kulinarischen Konzeptionen zu geben, war von Beginn seines Vortrages an beeindruckend. Denn schon seine kleine Fingerübung „Blätterwald“ bescherte den Zuschauern einen Teller, der mit einzelnen Blättern, bestehend aus Krokant von Gemüsesäften, nicht nur stark an einen herbstlichen Waldboden erinnerte, sondern unmittelbar Assoziationen einer exakten künstlerischen Avantgarde weckte. Dabei besticht nicht nur die Logik und Konzeption, sondern vor allem die schwingende Leichtigkeit dessen, was hier präsentiert wird. Wenn man dann noch im Bereich der Desserts einen geeisten Kräutergarten präsentiert und das Konzept unmittelbar jedem Fachzuschauer einleuchtet, dann kann man nur von einer souveränen Geste dieses Meisters sprechen.
Réne Redzepi, dem als aktuell besten Koch der Welt attestiert wird, zur Zeit die tiefgreifenste Revolution der Spitzengastronomie seit Entwicklung der molekularen Küche zu betreiben, fiel es dann zu, seine Definition einer neuen Skandinavischen Küche darzustellen. Dazu benötigt dieser erst 33 Jahre junge Mann lediglich einen kleinen Einspielfilm und einige kleine Details, die dem Gast vor Augen führen, was Essen alles bedeuten kann. Seine Produkte findet der Leiter des Noma in Kopenhagen zumeist in seiner unmittelbaren Umgebung.
Redzepi, der bei Ferran Adria gelernt hat, welche Freiheiten ein Koch hat, wenn er sich an den Möglichkeiten der Produkte orientiert, überrascht seine Gäste gerne mit simplen scheinenden Arrangements: zu Beginn eines Menüs wird der Gast darauf hingewiesen, dass der erste Gang schon auf dem Tisch steht und man muss erst erkennen, dass die Blumen in der Vase in Wirklichkeit eine Vorspeise verschleiern, die das Genussreich des Noma erst andeutet. Hier erlangen Pflanzen und Farne, alte Apfelsorten und lebende Garnelen eine Bedeutung, die an Ursprünglichkeit erinnert, die aber vor allen Dingen in ihrer Zubereitung und in den Arrangements eine umwerfende Neuerung darstellt.
Redzepi, der bei seiner Präsentation so erfrischend auftritt, begeistert für eine Neuorientierung der Spitzengastronomie an regionalen und nachhaltig erzeugten biologischen Produkten.
Hierin liegt der Hauptverdienst der Initiatoren: sie haben in diesem Jahr gezeigt, dass der Trend der neuen skandinavischen Küche sicherlich Schule machen kann. Denn hier kommen in der Spitzengastronomie nicht nur frische Produkte zum Einsatz, die man beinahe weltweit erhält, sondern regionale Besonderheiten, deren exotischer Reiz besticht, weil man schlicht die Produkte der Umgebung – Pflanzen, Kräuter, Flechten – neu entdecken muss.
Hier zeigt sich ein Trend der Spitzengastronomie, der Schule machen sollte. Denn auch wenn das allzu oft in Vergessenheit gerät: es ist die Spitzengastronomie, welche die Koch- und damit die Essstandards der kommenden Jahre setzt. Wenn sich die Entwicklung weiterhin durchsetzt, auf die Zusammenarbeit mit Produzenten aus der Region zu setzen, um die Entwicklung von gastronomischen Spitzenprodukten voran zu bringen, dann wird die Spitzengastronomie zu einem wichtigen Motor einer bahnbrechenden kulinarischen Entwicklung werden.
Auf die nächste Chefsache am 18. Und 19. September 2011 darf man gespannt sein.
Santé!
Irre, wie das rüber kommt.
Man bedauert echt, nicht dabei gewesen zu sein!
Bitte nicht so anschaulich schreiben, sonst wird man grün vor Neid!