Zum Inhalt

Tamilische Kostbarkeiten

von Nik zu 26. Mai 2010

foto-dias-2

Herr Dias, welche Bedeutung hat die tamilische Küche für Sie?

Es hat für mich eine enorme Bedeutung. Ich bin eigentlich ein Alles-Esser. Dennoch fühle ich mich erst richtig gesättigt, wenn ich tamilische karri und Beilagen (Reis, Mehlspeisen, herzhafte Pfannkuchen, Dampfnudeln) gegessen habe. Ich bin mit einer deutschen Frau verheiratet und habe zwei wunderschöne Mischlingskinder. Meine Frau und Kinder essen auch gerne tamilisch, aber nicht immer. Aufgrund der kulturellen Unterschiede bin ich gezwungen Kompromisse zu machen. Am Liebsten würde ich öfter tamilisch essen. Ich koche auch deswegen sehr oft für meine Gäste zu Hause.

Wie kamen Sie auf die Idee, ein Buch über die tamilische Küche zu schreiben?

Wie ich vorhin erwähnt habe, habe ich in meiner Studentenzeit und auch vorher für Nicht- Tamilen und Mitstudenten gekocht. Die Rückmeldungen und Begeisterung über die neue Küche waren so gut, dass ich immer häufiger für Gäste gekocht habe. Dann kam ein Angebot der Volkshochschule in Dortmund ein Kochkurs über die tamilische bzw. sri lankische Küche zu geben. Meine Leidenschaft wurde dann dadurch meine Profession.

Durch meine Erfahrung mit den Zutaten und Gewürzen in Sri Lanka und das botanisches Wissen durch mein Biologiestudium bot ich den Gästen nicht nur Nahrung für den Leib, sondern auch für den Geist. Die Gäste und Teilnehmer der Kochkurse waren sehr an den Informationen über die Gewürze und deren Heilwirkung interessiert. Ich befriedigte ihre Wünsche und flechte in den Kursen den Aspekt tamilische Kultur ein. Denn es hängt alles irgendwie zusammen.

Mir wurde klar, dass es zwar mehrere indische Kochbücher zu kaufen gibt, aber kein Tamilisches. Da ich bereits für meine Kochkurse Rezepte selbst vorbereitet habe, kam die Idee ein tamilisches Kochbuch zu verfassen. Das Buch sollte nicht nur eine Rezeptsammlung sein, sondern ein Kulturbuch. Neben den 47 Rezepten nehmen die Gewürze, Zutaten, Kultur und Sprachen (Tamilisch und Singhalesisch) einen großen Bereich ein. Ich konnte im Jahr 2004 Sri Lanka besuchen. Ich nahm dies als Anlass und machte so viele Fotos wie möglich. Im Jahr 2007 konnte ich mein Buch „Die leckere tamilische Küche“ in Essen veröffentlichen. Es ist das erste Buch über die tamilische Küche auf Deutsch und im deutschsprachigen Raum.

Wer sind die Adressaten ihres Buches?

Meine Zielkunden sind die deutschsprachigen Nicht-Tamilen, die sich für die südasiatische Kultur, Sprache, Gewürze und vor allem Gerichte interessieren. Und/ oder genug von der eingedeutschten so genannten indischen Küche haben und auf der Suche nach neuen ursprünglichen Rezepten sind.

Darüber hinaus richte ich mein Buch an die Menschen, die zwar von den Tamilen bzw. der tamilische Küche gehört haben, aber wenig Authentisches gelesen haben. Außerdem ist das Buch interessant für Menschen, die zwar in Sri Lanka waren, aber nicht die Möglichkeit hatten, Nord-Sri Lanka zu besuchen. Es gibt leider kein Buch in deutscher Sprache, das einen Eindruck über die Gegebenheiten des Nordens Sri Lankas bildhaft zeigt.

Zu meiner Überraschung wird mein Buch von den Tamilen und Tamilinnen gekauft, die hier in der BRD aufgewachsen sind, die die Gerichte und Zutaten kennen, aber nicht in der Lage sind diese auf Deutsch zu benennen und nachkochen zu können. So habe ich neue Adressaten gewonnen.

Essen is(s)t immer auch Kultur. In wiefern hat die tamilische Küche für Sie mit Erinnerung zu tun?

Es ist eine philosophische Frage. Die Mehrheit des menschlichen Lebens verläuft in Erinnerung. Wir machen uns ständig Gedanken und Grübeln über alles. Selbst wenn wir schlafen sind wir nicht frei von Gedanken und Erinnerungen. Denn die Gegenwart ist sehr sehr kurz. Für mich ist der Zukunftsgedanke sogar Erinnerung mit umgekehrten Vorzeichen, oder anders gesagt, Spiegelverkehrte Erinnerungen.

Die Erinnerungen an meine verlorene Heimat; das Land, Kindheit und das Leben dort sind für mich ein wichtigster Teil meines Lebens. Gerade wenn man vertrieben wurde und in der Ungewissheit lebt, ob man wieder in die Heimat reisen kann, klammert man sich an die Erinnerungen fest. Es ist quasi wie ein Film in meinem Kopf.

Ich nenne einige Beispiele:

Wenn ich für meine Kochkursteilnehmer eine Süßspeise mit Borassus-Palmzucker zubereite, erzähle ich den Teilnehmern etwas über diese wichtige Palme. Dabei kommen mir die Erinnerungen an die Borassus-Palme, die wir in unserem Hof hatten und wie wir die Früchte und Samen gesammelt haben und daraus Speisen zubereitet haben.

Oder wenn ich über das Bittermelonen-Curry spreche, erinnere ich mich an den Markt in meiner Heimatstadt Paruththithurai (Point Pedro). Der Markt hatte jeden Tag geöffnet. Dort wurde alles verkauft. Meine Eltern brachten mir das Feilschen beim Einkauf bei. Meine Erinnerung an diesen Markt ist einfach prickelnd, spannend und lehrreich. Da meine Eltern beide berufstätig waren, war der Sonntag wichtigster Einkauf- und kulinarischer Tag. Anschließend wurde zu Hause gekocht und wir genossen mit der ganzen Familie die Mahlzeit.

Fazit: Die Erinnerungen sind meine treibende Kraft und Energie, die mich vorantreiben und zu meinem Erfolg verhelfen.

Was kann man lernen, wenn man lernt tamilisch zu kochen?

Erstens lernt man eine neue Küche zu kennen und die so genannte indische Küche zu differenzieren. Zweitens lernt man die ursprünglichen und traditionellen Karri– Zubereitungen. Da die Karris mit Kokosmilch zubereitet werden, sind die vegetarischen Gerichte auch für Veganer geeignet. Drittens lernt man eine relativ fettarme Küche kennen. Aufgrund der heißen klimatischen Gegebenheiten, ist ein übermäßiger Fettkonsum nicht notwendig. Entsprechend wurden mit der Zeit leichte und fettarme Gerichte von den Bewohnern dort entwickelt. Viertens lernt man die wichtigsten Gewürzen wie Pfeffer, Nelken, Zimt, Kardamom, Bockshornkleesamen, Ingwer usw. als Zutat und Heilmittel. Fünften lernt man neue Mehlspeisen wie z.B. Idiyappam, Iddli, Thosai aus rotes Reismehl und Uridlinsen zuzubereiten.

Santé!

George Dias: Die leckere tamilische Küche. Bochum 2007, ISBN 978-3-00-020886-7, 144 Seiten, geb., 19,90€

Hier geht es zum 1. Teil des Interviews

  • del.icio.us
  • Facebook
  • Yahoo! Buzz
  • Google Bookmarks
  • MisterWong.DE
  • Technorati
  • Twitter

Kurzer Link | Thema: fest

Ein Kommentar

Trackbacks & Pingbacks

  1. Gastrosophie » Blog Archive » Tamilische Küche

Was sagen Sie dazu?

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Kommentar abonnieren (RSS)