Eine Hommage an Roman Polanski – beim Blick in den Kochtopf
Doppelt plagt euch, mengt und mischt!
Kessel brodelt, Feuer zischt.
Selbstredend war es ein erhebender Moment, als der 1933 in Paris geborene Roman Polanski in Warschau für sein Lebenswerk mit dem europäischen Filmpreis geehrt wurde. Ganz nebenbei spielt das Essen in vielen seiner schon als klassisch zu bezeichnenden Filme eine zentrale symbolische Rolle, etwa das Schokoladen-Mäuschen in Rosemaries Baby, oder der Fisch, serviert mit Kopf in Chinatown.
Wer sich heute noch einmal die 1971 entstandene Macbeth-Verfilmung von Polanski anschaut, versteht, weshalb sich bis heute kein Regisseur erneut an diesen Stoff gewagt hat. Von Anfang an wird man in den aus Neid und Habgier geborenen depressiven Irrsinn hineingezogen. Die Helden sind blutig, staubig, schmutzig. Die Musik, das Timing, die Darsteller bestens gewählt und eingesetzt.
Shakespeare hielt sich nicht sonderlich an die historischen Fakten. Aus einem Mann, dem es im 11. Jahrhundert gelang, die Schotten zu einen, so dass die Engländer eine Gefahr im Norden erkannten, stilisiert der Dichter einen zerrissenen Mörder, der nur an sich und die Worte der Hexen glaubt. Polanski hingegen hält sich im Wortlaut sehr eng an die dramatische Vorgabe und verändert sie doch grundlegend.
Das Eigenständigste an dieser Macbeth-Verfilmung ist der zweite Besuch bei den Hexen: Hinab zur Hexengruft geleitet uns der Blick der Kamera. Gleich Macbeth sind wir gierig zu erfahren, was uns hinter dieser verbotenen Tür erwartet.
Dort stehen die Hexen nackt um einen dampfenden Topf. Was wir dann aus der Perspektive des Königs sehen, ist der Blick in die Zukunft. Keine Erscheinung kommt aus den Dämpfen der Hölle hervor, nein der Blick richtet sich in den Topf selbst. Dort eröffnen sich die Bilder, die zeigen, was die Worte der Hexen so wohlklingend umhüllen. Macbeth schaut über Spiegel auf sich selbst und seine eigenen Geister. Er sieht, dass ein Wald sich bewegen kann, er erkennt den Kaiserschnitt, der es ermöglicht, dass ein Mann lebt, der nicht durch ein Weib geboren wurde. Vielleicht hat ihn die Zahl der nackten Frauen, vielleicht das Bilsenkraut verhext. Aber zum ersten Mal, als er durch die Schwaden des Topfes blickt sieht er seiner Zukunft klar ins Gesicht. Hier im wärmenden Schein des Feuers kann er sich der Speise, die er sonst verschmähte oder widerwillig zu sich nahm, nähern ohne Gram.
Das er später den Worten der Hexen mehr Beachtung schenkt, als den gesehenen Bildern, wird seinen Untergang besiegeln. Denn die Worte führen ein Spiel mit doppeltem Boden, sie versprechen Sicherheit indem sie täuschen. Die Bilder des Topfes hingegen zeigen die Wahrheit unverhüllt. Die Bilder, die Polanski uns präsentiert könnten entfernter vom Text nicht sein. Kein Regisseur versteht es wie er, die Symbolik des Essens so unscheinbar zentral in Szene zu setzen.
Warum versinkt der Kessel? Welch Getön?
Heißt es noch in der Schiller-Übersetzung. Nicht so bei Polanski. Wir haben in dieser Szene die Perspektive Macbeth eingenommen, mit seinen Augen gesehen. Diese Perspektive wird uns nicht mehr loslassen, uns bestimmen. Mit des Königs Augen werden wir seinen abgeschlagenen Rumpf sehen während der Kopf auf eine Lanze gespießt wird.
Doch lauschen wir noch einmal den Worten Shakespeares:
Sumpfger Schlange Schwanz und Kopf
Brat und koch im Zaubertopf:
Molchesaug und Unkenzehe,
Hundezung und Hirn der Krähe;
Zäher Saft des Bilsenkrauts,
Eidechsbein und Flaum vom Kauz:
Starken Zauber eingemischt!
Höllenbrei im Kessel zischt.
Der Höllenbrei liegt im Kino in der Perspektive und der symbolischen Aufladung scheinbarer Nebensächlichkeiten. Polanski ist ein Meister darin, beides spielerisch zu beherrschen.