Zwanzigster Geburtstag oder: Das Aah und Ooh der feinen Küche
Wie der Titel schon andeutet haben wir es hier nicht mit dem Biosaurier unter den Kochsendungen zu tun. Es gibt kein mhhhhh oder mmmmmmhhh zu hören, sondern wirkliche Worte des Staunens und Entzückens. In Otto Henkells Brevier für Feinschmecker befinden sich zweihundertdreißig Leckerbissen von Austern bis Zimt. Sie sind in einer lockeren Plauderei über vier Jahre ruhig und regelmäßig entstanden, bevor sie zwischen zwei Buchdeckel gebunden ihre volle Reife entfalten konnten.
Wer jetzt noch einmal in dem wunderbaren Buch blättert, das Otto Henkell vor zwei Dekaden auf den Markt brachte, wird feststellen, wie unaufgeregt modern die hier zusammengestellten Plaudereien über Essen sind. Wie unbestechlich die Kunst zelebriert wird, zugleich im Detail verliebt und in der Sprache anregend bleibend.
Es gibt immer noch viel zu entdecken, oder haben sie gerade den Unterschied zwischen Nonpareilles, Surfines und Fines im Kopf? Vielleicht aber wissen sie noch, was bei uns auf den Märkten früher Eierfrucht genannt wurde? Dies ist die weiße Aubergine, im ersten Falle handelt es sich um die Klassifizierung von Kapern. Das Buch ist jedoch kein Lehrbuch, es langweilt nicht durch Besserwissereien. Die kleinen unterhaltsamen Geschichten sind so anregend, dass man sie nicht zum Schlafengehen lesen sollte, man müsste unvermittelt das Bett verlassen, um den durchs Lesen hungrig gewordenen Magen noch etwas zu gönnen. Sehr wahrscheinlich hat es seitdem nie mehr eine bessere Reklame für einen Sekt gegeben. Der einzig durchgehende Anachronismus, der ins Auge springt, ist die Verwendung von Hühnerklein in Paketen zu 500 Gramm, aber auch die kann man immer noch käuflich erwerben. Trauen sie sich, einen Blick in dieses kleine Rezept- und Textuniversum zu werfen. Was für Rezepte gilt, gilt erst recht für Plaudereien: gutes entfaltet seine volle Wirkung erst nach jahrelanger Reifung. Man muss nicht unbedingt trocken trinken, aber wenn der Sekt desselben Namens nur mit der Hälfte des Sachverstand gekeltert wurde, den die Henkell-Texte so unaufdringlich unter Beweis stellen, dann sollte man noch einmal nach zwanzig Jahren die ruhige Kompetenz der kleinen Apercus auf sich wirken lassen und sie mit einem passenden Glas begleiten. Für Interessierte: Es gibt sie noch die Ahhs und Ohhs, im Internet unter den bekannten Bezugsstellen für einen sagenhaft günstigen Preis.
Zum Wohl!
Ein Brevier für Feinschmecker. Econ Verlag, Düsseldorf/Wien New York 1987