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Japanischer Aschermittwoch

von Nik zu 21. Februar 2007

Kaum verschwinden hierzulande die Jecken von den Straßen, geht man am anderen Ende der Welt daran, die Probleme der Trunksucht praktisch zu lösen. In Japan, dem Land, in dem man traditionell mit Geschäftspartnern aber auch im Kollegenkreis regelmäßig exzessiv dem Alkohol zuspricht – für viele die einzige Form, dem Chef einmal in gelöster Stimmung ohne Angst vor Sanktionen ordentlich die Meinung zu sagen – hat sich die Rate der Alkoholiker in den letzten dreißig mehr als verdoppelt. Dies alleine wäre noch kein Grund zur Panik, aber mittlerweile registriert die Polizei einen enormen Zuwachs von Alkoholbedingten Verkehrsunfällen. Da die Zeitungen sich der hohen Zahl der Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss mit tödlichem Ausgang verkaufsstimulierend annehmen, wird es Zeit zu handeln. Japan reagiert auf das Problem nicht mit dem Reflex der höheren Strafen. Nein, hier sind die Automobilkonzerne selbst gefragt, wollen sie ihr Image nicht verlieren, denn stets taucht in den Meldungen auf, welcher Wagentyp den Unfall auslöste. So arbeiten die großen Autohäuser nun daran, Frühwarnsysteme in ihren Wagen zu installieren. Kameras, die die Augen des Fahrers kontrollieren sollen kommen hierbei ebenso zum Einsatz, wie Geruchssensoren. Toyota arbeitet zurzeit an einem Prototyp eines klassisch anmutenden Alkoholtestgeräts im eigenen Auto. Bevor der Wagen gestartet werden kann, muss der Fahrer den Nachweis seiner Nüchternheit erbringen. Eine Kamera überwacht den Vorgang, um sicherzustellen, dass auch wirklich der Fahrer geprüft wird. 2009 soll das Gerät Einsatzbereit sein. Bis dahin scheint sich in Japan ein neuer Arbeitsmarkt zu entwickeln. Im letzten Jahr haben 6000 Japaner einen Job als „Verkehrsagent“ übernommen. Sie fahren zu zweit in eine Bar, um den nicht mehr fahrtüchtigen Klienten einzusammeln. Dann fährt man den Kunden und sein Auto nach Hause. Dieses Modell erfreut sich im Land der aufgehenden Sonne wachsender Beliebtheit, kann man diesen Service doch auch in Anspruch nehmen, wenn man sich nicht mehr nachts zu Fuß auf die Straße traut. So wird im dicht besiedelten Japan keine prohibitionistische Debatte angezettelt, sondern ein pragmatischer Weg eingeschlagen, der den verschiedenen Bedürfnissen seiner Bewohner Rechnung trägt. So wird Sicherheit nicht auf Kosten der Geselligkeit erreicht. Während hierzulande politische Aschermittwochsparolen die Szenerie beherrschen, amalgamisieren sich in Japan Spaß, Geselligkeit und Sicherheit und sorgen so für einen völlig neuartigen Dienstleistungszweig.

Kampei!

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