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Charles Schumann hautnah

von Nik zu 23. Mai 2007

american-bar.jpgDie achtziger Jahre waren mit Sicherheit das Jahrzehnt der narzisstischen Kränkungen und der sexuellen Überschätzungen. Blake Edwards hat mit seinem Film Skin Deep der männlichen Angst vor geforderter sexueller Omnipräsenz dieser Dekade ein filmisches Denkmal gesetzt. Es gibt eine Szene in Skin Deep, in welcher Barney (Vincent Gardenia) der Barkeeper dem ebenso sprachlosen wie betrunkenen Pulitzer-Preisträger Zach Hutton (John Ritter) kurz etwas erklärt. Es geht um Zachs Schreibhemmung, seinen Hang zu jungen Frauen, unendlich viel Alkohol und schließlich die nach Jahren gefundene Lösung. „Dass, lieber Zach, hätte ich dir auch einfach sagen können“, erklärt der Mann hinter der Theke dem verdutzten Erfolgsschriftsteller. „Aber warum hast du es denn nicht?“ fragt der Indignierte. „Na, weil du mich nicht gefragt hast.“ Für wahr eine philosophische Einstellung und letztlich auch gut fürs Geschäft, denn immerhin brummt der Laden und auch wir Zuschauer haben Spaß an dem teilweise arg alkoholisierten Treiben am Tresen.

Barney äußert gerne Zustimmung zu den Ansichten seiner Gäste und bildet somit den handfesten philosophischen Gegenpart zu Zachs Therapeuten, der sich stets in Allgemeinplätzen verliert: „Wissen sie, was ich einem Alkoholiker sage? Zunächst: Hören sie auf zu trinken.“ Die allerdings in einer Bar höchst unpassend wären, gilt es doch hier einen freundschaftlichen Umgang mit den alkoholisierten Gästen zu pflegen. Was aber passiert, wenn man einem Barmann nicht nur als Dompteur, sondern auch noch als Therapeuten bezeichnet? Haben wir es mit einem wandelnden Paradoxon, oder einem permanenten, eventuell sogar einem penetranten Irrtum zu tun? Nicht, wenn wir der Beschreibung glauben schenken wollen, welche die trinkfeste Collection Rolf Heyne seinem Aushängebarmixer Charles Schumann anhängt. Da lohnt es sich sicherlich einen Moment zu verweilen. Der Mann, der uns in einer kunstvollen Schwarzweißfotografie aus seinem verlebten Gesicht Nächte durchzecht ansieht, ist in der Wirklichkeit seines Promoters also nicht einfach ein Barmann mit besonderen Mixerfähigkeiten sondern ein Philosoph, Therapeut und ein Kluger noch dazu. Auf solche Ideen kann man sicherlich zwischen dem vierten Mai Tai und dem fünften White Russian kommen. Aber man sollte sie spätestens bei der ersten Bloody Mary am nächsten Morgen wieder vergessen haben, will man sich nicht selbst zum Gespött der friedliebenden Umwelt machen, welche nichts so sehr verachtet wie scheppernde Wichtigkeitsworte, die lediglich süßlich aufgeblasene Luft verströmen. Denn nach der oben genannten Beschreibung haben wir es bei Charles Schumann nicht mit einem Mann zu tun, der sein Handwerk, für das er bezahlt wird, versteht und liebt, sondern genau genommen mit einem Scharlatan. Denn auch als Barmann muss man sich entscheiden: will man als Barkeeper Handwerker, oder einfach nur ein Mann des Wortes, also als Therapeut tätig sein. Charles Schumann hat mit seiner Bar und dem gleichnamigen Cocktail-Buch American Bar, Shakergechichte geschrieben, er sollte also als Mann seines Faches gelobt werden. Skin Deep beantwortet die Frage, wie weit ein Barkeeper therapeutisch tätig sein darf, auf seine eigene Weise: die Therapie überlässt man dem dafür ausgebildeten Fachmann, oder dem eigenhändig ausgeschenktem Alkohol. Hinter der Theke stehend darf man seinem Gast aber in die Augen sehen und ihm die Meinung sagen. Klug ist man, wenn man dies erst unternimmt, nachdem der Gast selbst schon zu einer kritischen Selbsteinschätzung gelangt ist. Der philosophischste Satz eines Barmanns lautet daher: „Das hätte ich dir auch sagen können.“ Um dann klug den therapeutischen Ansatz im Keim zu ersticken: „Aber du hast mich ja nie gefragt.“

Cheers!

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