Essen und Denken
Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Polen des menschlichen Seins leuchtet unmittelbar ein. Man muss nicht erst an Hochleistungssportler und ihre bis ins kleinste Detail ausgetüftelten Ernährungspläne denken, wenn man eine Verbindung zwischen Essen und Denken herstellen möchte. Schließlich kennt jeder das Phänomen, das sich das Denken zunehmend auf Nahrungsaufnahme fokussiert, wenn man stärker werdenden Hunger verspürt.
Eine relativ banale Antwort auf diese Frage hat jüngst der Ernährungswissenschaftler Brian Wansink als Ergebnis einer breit angelegten Studie gegeben: wenn wir nicht über das Essen nachdenken, während wir essen, hören wir zu spät damit auf und werden sehr wahrscheinlich an Übergewicht leiden. Wir sollten – so der Mann der als Warner vor Fettfallen einen Nebenverdienst bei der Bildzeitung einheimst – mit dem Essen nicht erst aufhören, wenn die Fernsehsendung bei der wir etwas in uns hineinschlingen, zu Ende ist.
Gedankenloses Essen schädigt den Organismus. Gedankenlose Studien blähen wissenschaftliche Bibliotheken auf. Der populäre amerikanische Ernährungswissenschaftler hätte besser mal was Schönes essen sollen.
Die spannende Frage stellt sich gerade in umgekehrter Ess- bzw. Denkrichtung: wie verändert sich unser Denken, wenn wir keinen Hunger mehr haben? Denn in diesem Zusammenhang ist sicherlich der Umstand interessanter, dass man sich schon bei der Zubereitung, oder der Vorfreude auf das Essen andere Gedanken machen kann, als die, lediglich Füllmaterial in seinen Körper zu stopfen. Abwechslungsreiche Ernährung regt nicht einfach nur den Stoffwechsel, sondern auch den Denkapparat an und fördert auf diese Weise die Leistung des Organismus.
Wansink definiert das French Paradox in seiner Studie neu. Bisher stand dieser Begriff für das Kopfschütteln der Wissenschaftler über den Lebenswandel der Franzosen. Denn nach gängigen wissenschaftlichen Klischees über ein gutes – und das bedeutet in diesem Zusammenhang stets langes – Leben, muss man sich einschränken. Nun rauchen die Franzosen, trinken mehr Wein als die Menschen in anderen Staaten und nehmen tierische Fette zu sich, als wären es Gesundheitsdrops. Allen Studien zum Trotz leiden sie dabei durchschnittlich weniger an Krebs- und Herzkreislauferkrankungen, als Probanden aus anderen Ländern.
Wansink definiert das French Paradox nun dahingehend, dass die Franzosen bewusst essen. Sie essen, was sie wollen, füllen sich mit tierischen Fetten ab und hören doch auf ihre innere Stimme, die ihnen sagt, wann sie aufhören müssen. So entsteht das Paradox, dass die Franzosen dennoch auf die Bistrostühle passen, welche für die meisten Amerikaner viel zu schmal sind.
Wansink hat dabei nicht bedacht, dass die Franzosen in diesen Bistros eben nicht Fernsehen, sondern mit Vorliebe anregende Gespräche beim Essen führen, gerne begleitet von zumindest einem Glas Wein.
Santé!