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Biertrinken mit Kafka

von Nik zu 2. Juli 2008

Obwohl man ihn und vor allem sein Werk kaum mit kulinarischen Genüssen in Verbindung bringt, ist Franz Kafka sicherlich einer der berühmtesten Literaten des 20. Jahrhunderts. Nicht zuletzt, da man allmählich beginnt, den Gastrosophen in Franz Kafka zu sehen.

Es wäre an dieser Stelle vermessen, seine Schriften in ein oder zwei Sätzen zusammenfassen zu wollen. Hier begnüge ich mich lediglich mit der Feststellung, dass Bier einen wesentlich größeren Einfluss auf das Verhältnis zu seinem Vater und damit natürlich auch auf sein eigenes Leben hatte, als gemeinhin angenommen.

Insofern scheint Biertrinken einen geheimen Schlüssel für die Interpretation einiger kafkaesker Texte darzustellen. Vielleicht können wir uns den Literaten Kafka nur so gut ohne Bier vorstellen, als sein eignes Leben selbst ohne Bier nicht vorstellbar ist, ja sehr wahrscheinlich in gänzlich anderen Bahnen verlaufen wäre.

Er würde gerne einmal, so gibt er in einen Brief bekannt mit seinem Vater in großen Zügen trinken – auch wenn seine Trinkfähigkeit nicht sehr groß sein sollte, an Durst „gebe ich es niemandem nach“.

Kafkas Wunsch-Verhältnis zu seinem Vater lässt sich über den Rand des Bierglases ganz eindeutig fixieren, ist doch sein Traum, mit dem Vater einmal ein Glas Bier zu trinken, zentral in seinen letzten Lebensmonaten.

Obwohl der an Kehlkopfkrebs erkrankte Schriftsteller schon seit längerer Zeit nur noch unter Schmerzen zu schlucken vermag, übt er dennoch reichlich Wasser und Bier zu trinken, um seinen Vater ein möglichst ebenbürtiger Trinkpartner zu sein.

In einem Brief vom 2. Juni 1924 schreibt Kafka: „Und dann »ein gutes Glas Bier« zusammen trinken, wie Ihr schreibt, woraus ich sehe, dass der Vater vom Heurigen nicht viel hält, worin ich ihm hinsichtlich des Bieres auch zustimme. Übrigens sind wir, wie ich mich jetzt während der Hitzen öfters erinnere, schon einmal regelmäßig gemeinsame Biertrinker gewesen, vor vielen Jahren, wenn der Vater auf die Civilschwimmschule mich mitnahm.“

Dieses Erlebnis, sich noch einmal dem Vater nah zu fühlen zeigt sich für ihn in einem gemeinsam getrunkenen Glas Bier. Einen Tag nachdem er diese Zeilen zu Papier gebracht hat stirbt Kafka, am 3. Juni 1924.

Am morgigen Donnerstag wäre Franz Kafka, der spät bekehrte Biertrinker 125 Jahre alt geworden.

Es wird also Zeit, unser Glas zu erheben um morgen an ihn zu denken.

Santé!

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