Essen fördert den Verstand
In diesen Tagen hat sich um den Hessischen Kulturpreis so einiges an Diskussionen entzündet. Es soll ein Preis für interkulturelle Toleranz sein, doch so, wie es aussieht kann man hier nur die negative Konnotation des Wortes Toleranz – Duldung bis zu einem gewissen Gerade – erkennen.
Navid Kermani – Kölner Islamwissenschaftler – nährte den Zorn der beiden christlichen Preisträger mit einem Artikel, den er in der NZZ veröffentlichte. In diesem Artikel artikuliert Kermani – selbst bekennender Moslem – seine Gedankenbewegungen rund um das Kreuz. Das Kreuz ist für die Moslems ein anstößiges Symbol, da es in ihren Augen kein Symbol der Befreiung, sondern eines der Marter darstellt. Insofern liegt er auf der Linie vieler Katholiken, die nicht das Kreuz, sondern Christus als zentrales Symbol sehen. Gleichwohl kommt Kermani in seinem Aufsatz zu dem Schluss, dass er Angesichts des Jesus am Kreuz im Gemälde, das Guido Reni 1638 für die Basilika San Lorenzo in Lucina malte, an das Kreuz glauben könnte. Eine derartige Annäherung an den christlichen Glauben hat anscheinend noch kein Moslem gewagt, denn sofort weigerten sich Kardinal Lehmann und Peter Steinacker den Preis mit diesem Moslem entgegenzunehmen. So kam es, dass Kermani der Preis durch die Jury aberkannt wurde. Ist dies eine Form von interreligiöser Toleranz?
Die Vertreter aller Abrahamitischen Religionen sollten sich an ihre gemeinsamen paradiesischen Ursprünge erinnern, aus denen man auch heute noch eine Menge lernen kann. Häresie gegen die statische Auslegung des göttlichen Wortes wird von Gott selbst gefordert. Denn schließlich hebt die menschliche Erkenntnis mit der Missachtung eines göttlichen Gebots an. Gott trägt Adam und Eva ganz eindeutig auf, nicht vom Baum der Erkenntnis zu essen. Und – diese Überlegung liegt so nahe, dass sie sicherlich nicht als Ketzerei gedeutet werden kann – wäre Gott nicht allmächtig, hätte er vielleicht nicht gewusst, was er da tut. So aber kann man mit Fug und Recht davon ausgehen, dass Gott das Verbot lediglich ausspricht, um die Beiden auf die verbotene Frucht aufmerksam zu machen.
Wie sonst hätte er diesen als Krone der Schöpfung gepriesenen Geschöpfen zu Erkenntnis verhelfen können? Sie mussten gegen das göttliche Gebot aufbegehren. Mit dem sinnlichen Eindruck der Verspeisung der Frucht hebt für Beide die Erkenntnis an. Durch das Essen erlangen sie ein Bewusstsein ihrer Selbst. Diese Gedankenbewegung macht sie zu selbstständigen Menschen, die sich mit sich selbst und mit ihrem Gott auseinandersetzen können.
Vielleicht sollte man an diese grundlegende Erfahrung menschlichen Seins erinnern und alle Parteien dazu einladen, sich um einen Tisch zu versammeln, miteinander zu essen, um ihre Menschlichkeit und das bedeutet ihre strukturelle Gleichheit bei einem weiteren Gespräch gemeinsam zu entdecken. Denn schließlich führt nur ein gerüttelt Maß an Häresie aus dem Scheuklappendenken zu eng gezogener Dogmen heraus.
Santé!