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Pot au Feu

von Nik zu 9. September 2009

philosoph-im-topf1Was treibt die Menschen ursprünglicher an, als die ständige Bekämpfung des Hungergefühls? Nichts. Allerdings entsteht direkt nach dem Hunger der menschliche Hang zum Genuss, der das Spiel des Geschmacks entfacht.

Insofern kann man sicherlich den Topf, der über einem Feuer leise vor sich hin dampft als Sinnbild für die Anfänge der menschlichen Kultur verstehen. Denn so, wie biologisch gesehen, das Leben mit dem Wasser beginnt, hebt die Kultur mit dem Feuer an. Erst durch das Kochen kann der Mensch für ihn bis dahin ungenießbare Grundnahrungsmittel kultivieren. Mineralien werden aus der Nahrung freigesetzt, Eiweiße gerinnen und die gekochte Nahrung wird leichter verzehrbar. Die Kaumuskulatur kann sich verkleinern und die Menschheit wird somit in die Lage versetzt, eine differenzierte Sprache zu artikulieren. Der Topf auf dem Feuer ermöglicht erst die Philosophie.

Der Philosoph im Topf“ untersucht folglich die nahe liegende Beziehung zwischen dem Denken, dem Kochen und dem Essen. Es wird auch Zeit, dass sich rund 500 Jahre nach dem Ende des Mittelalters und 220 Jahre nach Beginn der Aufklärung ein Autorenteam die Aufgabe stellt, Philosophen als essende Denker und denkende Esser, mithin die Philosophiegeschichte als eine des Topfes auf dem Feuer zu beschreiben.

Dem klassisch geschulten Philosophiestudenten wird erst durch die Lektüre klar, dass Pythagoras nicht nur ein philosophierender Mathematiker, sondern auch der geistige Vater der vegetarischen Lebensanschauung war. Diogenes mochte streiten und für den Moment leben, beim Essen galten ihm jedoch strenge, beinahe karge Prinzipien, die eher an einen Ostpreußen erinnern würden. Aber Kant, der Senfanrührer aus Königsberg liebte es gar nicht so schlicht. Er lud sich gerne ausgesuchte Gäste zu seinen üppigen Mittagstafeln ein. Kein Wunder, dass kein Professor in einem Philosophieseminar darüber spricht, schließlich galten dem universalen Wertezertrümmerer die „Professores“ nicht als gute Tischgenossen. Zu fad befand der Meister deren Kunst zur Konversation.

Auch wenn Kant nur einmal am Tag zu speisen pflegte, so war es gerade dieses Mittagessen, welches vom belebten Gespräch der Gesellschaft getragen sehr gerne über mehrere Stunden gehen konnte. Eine geplante Kritik der Kulinarischen Vernunft hat der Mann der grundlegenden Kritiken leider nicht mehr schreiben können.

Ein Problem, welches nach Kant Friedrich Nietzsche auf den imperativen Punkt brachte. Denn schließlich sei Jenseits von Gut und Böse folgendes festzuhalten: „Durch den vollkommenen Mangel an Vernunft in der Küche ist die Entwicklung des Menschen am längsten aufgehalten, am schlimmsten beeinträchtigt worden.“ Schließlich werde es in Zukunft darauf ankommen, diesen Mangel Abhilfe zu schaffen. Wie sich herausstellte, gerade da der Denker es selber nicht mehr in Ruhe schaffte eine solche Vernunft in der Küche auf den positiven Begriff zu bringen, eine Aufforderung an die Nachwelt, die bislang ohne breiten Niederschlag geblieben ist.

Wolfgang Popp und Klaus Ebenhöh liefern mit ihrem kurzweiligen und interessanten Buch den Beginn eines Gegendiskurses, indem sie anschaulich die kulinarischen Erkenntnisse der Philosophen nachzeichnen und mit passenden Rezepten versehen.

Nicht umsonst ist das Buch vom Deutschen Institut für Koch- und Lebenskunst als Kochbuch des Monats September 2009 ausgezeichnet worden.

Santé!

Klaus Ebenhöh, Wolfgang Popp: Der Philosoph im Topf. Essende Denker. Denkende Esser. Residenz Verlag St. Pölten/Salzburg 2008. ISBN 978-3-7017-3099-5. 256 S. 19,90€

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