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Koch-Theorie

von Nik zu 27. Januar 2010

klink1Das Wetter war herrlich. Schmetterlinge überwachten den Luftraum.“ Damit ist eigentlich alles gesagt über eine Zeit bei der Bundeswehr. Eigentlich. Wäre der Mann, der hier aus seinem Leben berichtet, nicht ein begnadeter Koch und schon vor seiner Dienstzeit in Olivgrün ein gelernter Mann in Kochuniform. Das Manöver findet nicht wirklich statt, denn die gesamte Mannschaft wartet auf die Verpflegung. Einzig die Besatzung des Panzers von Vincent Klink plagt kein Bauchgrummeln. Vielmehr wird hier zwischen Granaten und Schmieröl ein Risotto nach den klassischen Regeln der Kunst gekocht, auf dass sich der sonst so überhebliche Vorgesetzte auch eine Portion erbittet.

Was hier geschieht ist nicht einfach das Erzählen einer Biographie. Klink, selbst lange noch nicht im Rentenalter, hat einfach gemerkt, dass er aus seinen Erlebnissen eine spannende Geschichte zu formen vermag. Er strukturiert sie lediglich entlang seines bisherigen Lebens. Denn schließlich ist sein Blick nicht auf den eigenen Bauch oder den eigenen Herd gerichtet. Nein, Klink versteht es mit leichter Hand das Szenario der 60iger und 70iger Jahre aufziehen zu lassen und beschreibt sich dabei als Kind seiner Zeit. Er erzählt von den Stationen seiner Ausbildung, von dem was er am Herd, mehr aber noch, was er neben dem Herd von seinen Ausbildern lernen konnte.

Verblüffend ist dabei, was den Autor alles geprägt hat. Denn schließlich ist es für ihn nicht ungewöhnlich Literat und Sternekoch zu sein. Weshalb auch? Zum einen sind Köche wie Literaten kreative Geister und wenn ein Nobelpreisträger übers Essen schreiben kann – und seien es auch nur kaschubische Kartoffelgerichte –, dann kann erst recht ein Sternekoch über Essen und vor allem über Lehrmeister schreiben. Klinks Vater wird dabei eine entscheidende Figur sein. Denn nicht nur die väterliche Weisung, es nun als Koch zu probieren, wird für den Filius prägend. Der Vater – ein geachteter Veterinär – kümmert sich um die Stationen der Lehre ebenso, wie um das erste Restaurant, welches der Sohn später betreiben soll. Mehr noch, der Vater hat nicht nur einen Hang zu gutem Essen, er prägte ebenso die geistige Leidenschaft des Sohnes. Schon in seinem ersten Vortrag im „Corps Culinaire“, sprach der Vater darüber, wie das Kochen mit der Seele zu suchen sei. Die Gabe zum geschliffenen Ausdruck war Beiden durch Vincents Großvater, einem despotischen Altphilologen in die Wiege gelegt worden.

Liest man nun die weiteren Ausführungen, dann wird schnell klar, weshalb Vincent Klink sich nicht einfach nur mit der regionalen Küche seiner Heimat beschäftigte, sondern ihr bis zum heutigen Tag zu kulinarischen Höhenflügen verhilft. Wenn Klink über seine Ess-Erlebnisse in aller Welt, vor allem aber bei den geistigen Vätern der „Nouvelle Cuisine“ – Paul Bocuse und Alain Chappel – spricht, dann springt der Funken unweigerlich auf den Leser über. Denn Essen ist nicht nur Leidenschaft, es ist eine Passion, von der man seine Umwelt begeistern möchte.

Was man hier in einem Stil, der so locker leicht wie aus dem Handgelenk geschüttelt daher kommt, ist nichts weniger, als ein Manifest dafür, dass Köche nicht nur am Herd, sondern ebenso in schriftlicher Form Kochtheorie betreiben sollen. Denn schließlich sollte man sich als Handwerker ständig weiterbilden und somit den Gastrokritikern – die ebenfalls einfach ein Handwerk betreiben – eine Form für ihre Ansichten bereiten. Deren Kritik sollte nicht hinter die Kocherkenntnisse auf den Tellern zurückfallen und sich immer wieder an einer Imagination der klassischen Küche abarbeiten. Was Klink hier neben seinem Werdegang beschreibt ist der Beginn einer Theorie, welche ausgehend von der Klassik stets in Bewegung ist, um sich selbst treu zu bleiben.

Was wir hier lesen ist eine Hommage, wie Essen unser Denken anregt, verändert und erneuert. Denn schließlich ist nichts im Verstand, was nicht zuvor in den Sinnen war.

Man kann sich wünschen, dass Klink den eingeschlagenen Weg fortsetzt und uns bald mit einem klassischen Buch zur Kochtheorie beglückt und unseren Horizont von dem was Essen, was Genuss und was regionale Küche ist erweitert. Es würde allen gut tun. Auch beim Essen.

Santé!

Vincent Klink: Sitting Küchenbull. Gepfefferte Erinnerungen eines Kochs, Reinbek, 224 Seiten gebunden, 19,90€

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