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Meeres-Zeit

von Nik zu 14. September 2010

welle-150x1501Wenn man mal den Kopf frei bekommen will, sollte man an die Küste fahren. Am besten an einen Ort, der nicht von Häusern oder Menschen verstopft ist, denn diese beschweren die Befreiung des Kopfes vom Alltäglichen.

Dazu sollte man sich ein Stück am Meer aussuchen, welches einen mit Dünen, Sand und hohen Wellen innerhalb einiger Stunden so richtig aus der Zeit kickt. Denn liegt man erst einmal dem Rauschen der Brandung und den Sonnenstrahlen ausgesetzt im weichen Sand, dann verlieren sich nicht nur Raum und Zeit, sondern auch die meisten Bedürfnisse der modernen Zivilisation. Nirgendwo wird man direkter Zeuge vom Werden und Vergehen als an den zeitlos anmutenden Grenzen zwischen Land und Meer, diesem eher zauberhaften als geheimnisvollen Übergang von Fest in Flüssig, der einen geistig schwebend macht.

Einem Diktum Nietzsches folgend, sollte man jedem Gedanken misstrauen, der nicht beim Wandern in freier Natur gedacht worden ist. Nun war der Erfinder des Übermenschen nicht nur ein großer Zertrümmerer althergebrachter scheinbarer Gewissheiten, sondern vor allem ein Liebhaber der Alpen, der berühmt für seine regelmäßigen Bergwanderungen war. Weniger bekannt ist hingegen, dass sich Nietzsche regelmäßig ein Korrektiv seiner Berg-Zeiten verordnete, um in Nizza die Engen der Bergschluchten mit der Weite des Meer-Panoramas zu tauschen. Vielleicht überprüfte er durch dieses Kontrastprogramm seine himmelstürmenden Gedanken, um sie an einer Stelle mit Blick vom Berg aufs Meer, dort also, wo Endlichkeit auf die sichtbare Möglichkeit von Unendlichkeit trifft, abzugleichen. Um so die Endlichkeit der menschlichen Existenz mit einem weiterreichenden Gedankengut zu verbinden, sie gewissermaßen selbst zu transzendieren.

Doch zurück zu den Dünen, dem Wind, der Sonne und den Wellen. Ein Hund hat im Sand gegraben und einige Krebse ausgebuddelt. Meine kleine Tochter ist fasziniert über das Spektakel dieser flinken gepanzerten Wesen. Wir gehen den Wellen entgegen. Ein Krabbenfischer bringt seinen Fang an Land. Möwen umkreisen sein Netz. Wir sehen einen Berg von Krabben. Einen Haufen Krebse und bekommen zwei kleine Fische geschenkt.

Wir halten sie in unseren großen und kleinen Händen. Dann werfen wir sie zurück in die Brandung. Das Leben kann wachsen. Am Abend gibt es Krabbenbrot mit Fisch.

Santé!

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