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Fair Game

von Nik zu 25. Mai 2011


Große Regisseure wie Alfred Hitchcock oder Francis Ford Coppola haben unter Beweis gestellt, dass man die besten Geschichten filmisch unsterblich werden lässt, wenn man ihnen Elemente rund um den Esstisch zuweist.

Der amerikanische Regisseur Doug Liman hat mit Fair Game einen Film gedreht, der die Spirale der filmisch festgehaltenen kulinarischen Raffinesse ein entscheidendes Stück weiter dreht und damit einen Meilenstein des amerikanischen Kinos erschaffen.

Fair Game handelt von der wahren Geschichte, die als Plamegate in den USA für Aufsehen sorgte und bezieht sich auf den gleichnamigen Buchtitel unter dem Valerie Plame Wilson ihre Sicht dieser Geschichte veröffentlicht hat.

Wir schreiben das Jahr 2003. Die Bush-Administration sucht so verzweifelt wie hartnäckig nach Beweisen, um den geplanten Einmarsch der US-Truppen in den Irak zu begründen. Valerie Plame (gespielt von Naomi Watts) ist Agentin der CIA und vertraut mit Einsätzen in allen Krisengebieten der Welt. Verheiratet ist sie mit dem Diplomaten und Botschafter Joseph C. Wilson (Sean Penn). Die reale Vorgeschichte von Wilson wird im Film nicht thematisiert, dabei zeigt gerade sie, mit welchem persönlichen Einsatz dieser Mann für das Wohl anderer zu Handeln verstand. Denn er war der letzte offizielle US-Politiker, der sich mit Saddam Hussein nach dem Einmarsch der Iraker in Kuwait traf, um persönlich für den Rückzug der irakischen Truppen zu plädieren. Durch seinen Einsatz konnten viele amerikanische Staatsbürger den Irak verlassen und blieben so körperlich unversehrt. Man kann also verstehen, dass dieser Mann, als er für die Bushregierung in den Niger geschickt wird, um herauszufinden, ob hier 500 Tonnen Uran heimlich an den Irak verkauft werden, kein Freund einer Lüge ist, erst recht nicht einer Propagandalüge. Als Wilson, der lange Zeit in afrikanischen Ländern als Diplomat tätig war, feststellt, dass eine derartig riesige Menge an Uran niemals den Niger unbemerkt hätte verlassen können, gerät er in Konflikt mit der US-Administration. Denn im Januar 2003 erklärt Georg W. Bush öffentlich, dass der Irak mit Uran aus Afrika dabei sei, sein Atomprogramm auszubauen.

An der Aufklärung der amerikanischen Öffentlichkeit interessiert, wird Wilson einen Artikel über seine Erkenntnisse aus dem Niger in der New York Times veröffentlichen. Dieser Artikel führt dazu, dass die CIA seine Frau als Agentin enttarnt und das Ehepaar als unamerikanisch diffamiert wird.

Der Film beschreibt auf schonungslose Weise das Bild der nach dem 11. September von blinden Rachgelüsten geleiteten US-Administration und die persönlichen Auswirkungen gegenüber Kritikern dieser irrealen Kriegstreiberei.

Eine Szene des Films hat das Zeug Kinogeschichte zu schreiben. Hier sitzen Wilson und Plame zusammen mit Freunden um einen Tisch. Sie haben zusammen gegessen und trinken Wein. Keiner der Freunde darf von Valeries Agententätigkeit erfahren, gleichzeitig aber möchten Beide nicht die politische Diskussion über Saddam Hussein, die am Tisch entbrannt ist unkommentiert vorüberziehen lassen. Wilson – als Mann kluger Gedanken und Verächter des leeren Geschwätzes am Tisch, das sich lediglich darin gefällt die Meinungen der Leitartikel in eigene Worte zu fassen – hält kurz Blickkontakt mit seiner Frau, da er sich vergewissern will, bevor er zu Sprechen anhebt. Allein dieser Moment des Alleinseins unter Freunden nimmt die spätere Isolation des Ehepaares meisterhaft vorweg und wirkt stilbildend für ihre zeitweilige Stigmatisierung. Schon hier spürt der Zuschauer, dass sich diese Freunde von Ihnen distanzieren werden. Zugleich aber liefert diese unscheinbar wirkende Szene ein Plädoyer dafür, gegen hohles Geschwätz als bösartigstem Widersacher analytischer Klarheit einzutreten.

Das Essen ist vorüber, eigentlich könnte nun eine wunderbare Diskussion beginnen. Doch seine Freunde werden Wilson die Freude an einer klugen Diskussion nicht bereiten. Zu tief sitzt die Angst, es sich mit der herrschenden Meinung zu verderben. Auch wenn diese – wie wir mittlerweile wissen – ein Lügengebäude aufbaute um einen Krieg gegen den Irak entfachen zu können.

Fair Game ist – wie schon Good night and good luck – ein sehenswerter Film. Nicht, um den Zeigefinger gegen Amerika zu recken, sondern um zu erkennen, wie weit die deutsche Filmindustrie, die sich immer noch mehr schlecht an den Folgen weit zurückliegender historischer Ereignisse abarbeitet, davon entfernt ist, ein politisches Sprachrohr für aktuelle Debatten zu sein.

 

Santé!

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