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Baaalaaatooon – Wozu ein Onkel gut ist

von Nik zu 27. Februar 2008

balaton_017.jpgAls ich klein war, sah ich meinen Onkel gern. Er hatte sehr dunkele Haare und stets eine gut gebräunte Haut. Heute würde man vielleicht von einem dunklen Teint sprechen und nicht dasselbe meinen, aber das ist an dieser Stelle völlig unwichtig. Mein Onkel hatte so eine lustige Aussprache und ihn umgab eine Aura von Abenteuer und wilder Ferne. Wenn er Geschichten erzählte, dann versank die ganze mir bekannte Welt und er nahm mich mit auf eine Reise. Er brachte auch stets eine Flasche Tokajer mit und den durfte ich probieren, heimlich, ohne dass meine Eltern dies merkten. So teilten wir ein Geheimnis und seine Geschichten machten noch mehr Spaß.

In Erinnerung geblieben sind mir auch seine Wahlsprüche, die mir so unbekannt waren, dass ich sie mir einfach merken musste. „Wer scharf ist, hat keine schlechte Laune!“, war einer seiner gerne geäußerten Überzeugungen, sobald er ein Gulasch vor sich hatte, es mit reichlich Paprika – wie er das scharfe Zeug nannte, das ich im Gegensatz zum roten Wein noch nicht probieren durfte – bestreute und dann lächelnd futterte, bis ihm die Schweißperlen zwischen den schwarzen Augenbrauen herunter perlten.

„Am Balaton, da gibt es guten Wein!“, war der andere Spruch. Und Sie ahnen es natürlich längst. Jener besagte Onkel war ein Ungar, der nach dem Aufstand flüchten konnte und meine Tante ehelichte. Ich hatte keine Ahnung, was Balaton eigentlich war, aber es hörte sich in seiner Aussprache so sagenhaft und gleichzeitig komisch an „Baaalaaatooon“, das mir klar war: Da muss ich hin! Oder: Das muss ich probieren! Noch besser: gleich beides tun.

Wenn es etwas mit einem solch schön klingenden Namen gibt, der zugleich Süße und Gemütlichkeit ausdrückt, dann muss man der Sache auf den Grund gehen. Später erfuhr ich, dass dieses wie gehackt ausgesprochene Wort „Plattensee“ die Entsprechung für meinen geliebten Balaton sein sollte. Ich konnte das nicht glauben. Plattensee hörte sich einfach wie eine Häufung stillgelegter Fahrräder an. Ein See voller platter Fahrradschläuche, nichts weiter.

Balaton hingegen hatte mit zerfetztem Fahrradgummi aber so gar nichts gemein. Auch der Wein hat keinen Gummiabrieb im Abgang, wie er manch anderen Sorten gerne nachgesagt wird. Also musste ich, kaum besaß ich mein erstes Auto, hinfahren, zu diesem sagenhaften Balaton, der damals noch hinter dem eisernen Vorhang verborgen lag. Es war ein Erlebnis. Der See lag lauschig und unverkrampft da, ganz so, als wolle er sich niemals fortbewegen. Überall duftete es nach Gulasch, Paprika und Mehlspeisen. An jeder Ecke konnte man Rotwein trinken. Das schönste waren sicherlich die immer ruhig wirkenden Menschen dort.

War man hier am Baaalaaatooon, konnte man mit jeder Faser des Körpers spüren, dass das Leben etwas heiliges ist, das man nicht verschwenden darf, sondern in langen ruhigen Zügen genießen muss und genau so schmeckt dieser rote Wein.

Santé!

Der Text erschien zuerst unter www.ungarn-wein.de dem Online-Magazin für ungarische Lebenskunst

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