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Zwischen den Mahlzeiten

von Nik zu 30. Januar 2008

liebling_frei.jpgHand aufs Herz: kann es etwas Schöneres geben, als über das Essen zu schreiben? Vorausgesetzt natürlich, dass man das Essen liebt, es professionell als Objekt der Feldforschung sieht und zugleich aus gänzlich subjektiven Gründen Lust hat an Genüssen. Der amerikanische Autor A.J. Liebling meint damit im wahrsten Sinne ausschweifende orale Sinnlichkeit. Wenn man sein Buch in die Hand nimmt und seine liebevoll zusammen gestellten Artikel liest, dann merkt man sehr bald, dass hier jemand schreibt, der mit jeder Zeile an das denkt, was die Feder auf dem Papier lediglich zu umschreiben vermag. Zugleich aber kommt er der Kunst der Zunge sehr nahe indem er versucht, den sinnlichen Eindruck, der sie betörte durch den sprachlichen Eindruck einzufangen. Dieses Handwerk hat er zu einer derartigen Meisterschaft getrieben, dass man Liebling ohne Übetreibungen einem schriftstellerischen Bocuse avant la casserole nennen kann.Dabei geht es Liebling nicht um eine schlichte Aneinanderreihung von Fakten. Ihm ist nicht daran gelegen, lediglich auf die Struktur eines Gerichts aufmerksam zu machen. Nein, seine Texte selbst werden zu sinnlichen Genüssen. Was würde ihm eine Deklination der Speisenabfolge anderes einbringen, als ihre Verdopplung in einem anderen Zusammenhang?

Liebling ist viel zu sehr überzeugt von seinem Metier und der ihn erfüllenden Liebe zu gutem Essen, als dass er seine Profession fad zum Ausdruck bringen könnte. Schließlich hat er nur wenig Zeit für seine brillanten Notizen, die gerade dazu ausreichen, ihm selbst beim Schreiben wieder Hunger zu machen. Denn ein Tag, an dem man nicht zwei Mal seiner eigentlichen Profession – dem Essen und das sind mehrere üppige Gänge mit mehr als einem Fingerhut voll Wein – nachgehen kann, ist für ihn aus professioneller Sicht ein verlorener Tag. Er hat folglich keinerlei Zeit, für langweilige Erzählungen von der Stange.

Vielleicht sollte man an dieser Stelle zunächst festhalten, dass man das Essen erlernen kann. Zumindest sofern man essen nicht einfach als Nahrungsaufnahme begreift. Liebling geht es darum, zu zeigen, wie sehr ein gutes Essen mit Kunst, Genuss und Eleganz zu tun hat. Von nichts anderem handeln seine wunderbaren Reflexionen auch wenn, oder besser: gerade weil sie sehr oft recht wenig mit dem Essen zu tun haben.

Denn im Essen, in der Kunst des Verweilens und der Aufnahme sinnlicher Eindrücke, dem allmählichen Gefühl von Wohlbefinden schwingen so viele andere Eindrücke mit, dass es sicherlich mehr als selbstverständlich ist, wenn Liebling in diesem Buch Streifzüge unternimmt, die ihn nicht nur in unbekannte Restaurants führen. Er ist in allen Lebenslagen stets auf der Suche nach einem unmittelbaren Erlebnis, fern der perfekten Inszenierung global gleicher Häppchen am Tellerrand.

Liebling entführt seine Leser nicht nur zu Ergebnissen aus verschiedenen Herden und Kochtöpfen, obwohl die Art wie er dies unternimmt allein schon eine Meisterschaft ist. Er streift durch seine eigene Kindheit und stößt auf diese Art wesentlich mehr Assoziationen an, als man erwarten sollte. Lieblings Buch ist mehr als eine einfache Liebeserklärung an Paris und an die französische Küche. Es ist eine Hommage an die vielen Jahre, die seinen Ess-, Schreib- und Denkstil entscheidend geprägt und sein Urteilsvermögen in Fragen des Geschmacks unerschütterlich gemacht haben.

Wahrscheinlich muss man seine ganz persönliche Prohibition erlebt haben, um zu verstehen, wie wichtig es ist, sich im Trinken beweisen zu können das man frei ist. Freiheit meint hier natürlich die Freiheit viel zu trinken, wenn man Lust dazu hat. Liebling führt dies, wie seine anderen Themen mit einer charmanten luftig leichten Eleganz aus, die fast keine Bodenhaftung mehr benötigt und dennoch nicht im Ansatz delirierend wirkt.

Santé!

A.J. Liebling: Zwischen den Gängen. Ein Amerikaner in den Restaurants von Paris. Übersetzung aus dem Englischen von Joachim Kalka. Berenberg Verlag Berlin 2007 (Org.: Between Meals. An Appetite for Paris 1959). ISBN 978-3-937834-21-4. 184 Seiten, 21,50€

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