Zum Inhalt

Yes- Küchenlatein der Liebesworte

von Nik zu 28. Dezember 2006

Filmplakat zu Sally Potters Film YESSally Potters Film beschäftigt sich mit den Schwierigkeiten der Liebe in ihrem Entstehen. Zugleich kreist er permanent um die Frage, wie viel Verstehen Liebe voraussetzt und wie viel sie vertragen kann. Es geht um Synthese und Analyse. Nicht zufällig tauscht der Hauptdarsteller sein Chirurgenbesteck gegen ein Küchenmesser ein und wandelt sich vom Arzt zum Koch. Als Koch zerschneidet er nicht nur, er verbindet durch sein Handwerk und seine Worte verschiedene Elemente miteinander.Um es vorweg zu sagen: Dieser Film enthält alle Elemente, die man braucht, um reinen Kitsch abzubilden. Alle Klischees werden herangezogen, um einen Film zu drehen, in dem es um die Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Liebe geht. Und dennoch: Es ist ein Film auch über die Vorurteile, die wir wie unsere verpassten Möglichkeiten versteckt in uns tragen. Es ist ein Film, der seine Poesie erst auf seiner kitschigen Tragfläche entfalten kann. Und es ist ein Film, der so leicht mit seinem Sujet zu spielen vermag, dass man ihn nicht in den Schmutz ziehen kann.Das Leben ist schmutzig, wird uns direkt zu Beginn mitgeteilt. Diejenige, die diese Weisheit in die Kamera säuselt, muss es schließlich wissen, sie ist eine professionelle Putz-Managerin, eine Frau, die weiß, was ihr der Schmutz so alles über das Leben der Personen erzählt, die ihn hinterlassen haben. Schon ein Bettlaken mit seinen speziellen Rückständen einer anonymen Nacht im Hotel hält für den geübten Beobachter ungeahnte Geschichten bereit.

Das Paar, das wir auf der Rückbank eines Wagens beobachten, redet nicht mehr miteinander. Wir hören ihre Gedanken. Sie weiß nicht, wo ihr Mann fremdgegangen ist. Es war im eigenen Haus. Aber war es im Bett? Im Wohnzimmer? An einen Dialog ist bei der gemeinsamen Fahrt zu einem Abendessen nicht zu denken. Ein Schnitt. Wir betrachten die Szenerie aus der Vogelperspektive, als würden wir selbst in einem Beobachtungsraum sitzen. Die Bilder der Überwachungskamera zeigen SIE im kurzen Gespräch mit IHM. Er ist Koch im Restaurant und lädt sie für einen der kommenden Tage zu einem Spaziergang im Park ein. Es ist Frühling. Die Bäume stehen in Blüte und er erzählt ihr von den Obstblüten seiner Heimat, dem Libanon. Es ist schön, beide sind gebannt von ihrem Gespräch, das so anzüglich wie unverfänglich, so anregend wie trivial erscheint. Dennoch sind wir nicht überrascht, dass dieses Gespräch sie geradewegs in ein Zimmer und zum Sex führt. Es sind die Worte, die Beschreibung eines gemeinsamen Empfindens, auch wenn es über die Darstellung des Unbekannten geschieht, die hier alle Grenzen ab- und alle Tore aufbrechen lässt. Es sind zugleich die Worte, die in ihrer Anstrengung, Verbindungen zu schaffen, auch die Grenzen errichten, die das Anziehende des Fremden auf einmal als abstoßend erscheinen lassen. Kaum hat sich die Leidenschaft beruhigt, sind es die Worte, die trotz ihrer sanften Aussprache bei zwei unsicheren und leicht verletzlichen Menschen wie Messerstiche wirken.

Die Einheit, von der ER träumt, ist für SIE, die im Glauben an die Individualität erzogene Amerikanerin irischer Abstammung – eine Prägung, auf die sie gerade in Bezug auf ihren unterkühlten englischen Ehemann viel Wert legt. Es ist ein Angriff gegen alles, was sie sich bisher als Person aufgebaut hat. Dass sie dieser einfachen These der Einheit eines Paares nicht folgen mag, ist für ihn eine Absage an den Gedanken einer Beziehung. Als er das Gefühl bekommt, dass ein einfacher libanesischer Koch für sie nicht gut genug ist, erzählt er ihr, weshalb er den Libanon verlassen hat. Er war in Beirut praktizierender Chirurg. Als er es schaffte, einen Patienten, der schon mit dem Tod rang, zu retten, änderte sich sein Leben: Am selben Abend kamen Libanesen an seine Tür und fragten ihn, weshalb er jemanden das Leben rettete, der ihn oder seine Kinder töten könnte. Sie töteten darauf den Patienten und er packte noch am selben Abend seine Koffer.

Da es für ihn unmöglich war, in London seinen Beruf auszuüben, tauschte er das Skalpell gegen ein Küchenmesser ein. Es gibt zwei Szenen im Film, die ihn während der Ausübung seines neuen Berufs zeigen. In beiden Fällen geht es jedoch nicht ums Kochen, sondern um Frauen. Da es sich um vier Männer unterschiedlicher Herkunft handelt, die in der Küche arbeiten, erleben wir derbe Männerscherze, deren unverhohlener Sexismus bis in Rassismus und blanke Gewalt umschlägt. Auch hier finden wir die Funktionen des Wortes wieder. Des Wortes, das im Spaß Verbindung zwischen Männern schaffen möchte, das aber lediglich den Graben zu Frauen betont. Das Wort, das stichelnd Nähe sucht, bezeichnet hier, indem es die Grenze der Geschlechter aufzeigt, die Kluft der Kulturen und Geschlechter stellt sich zwischen die Protagonisten. Konsequenter noch: Indem das Wort die Liebe negiert, führt das verbindend gemeinte Wort, das die Abgründe markiert, zur offenen Gewalt. Der Streit zwischen den gesellschaftlichen Underdogs genügt, um denjenigen unmittelbar zu entlassen, der am fremdesten wirkt: den Koch. Die anderen Arbeiter mögen ungehobelt und schlecht ausgebildet sein und auch wenn der Koch die wichtigste Person für den Restaurantbetrieb darstellt, der Fremde muss gehen. Er sieht sich in seiner Meinung bestätigt, dass diese Gesellschaft, in der er sich als Fremder befindet, rassistisch ist. Er ist hier noch fremder, als er es in Beirut jemals sein könnte.

In diesem Moment ruft sie an. Sie hat gerade ihre zerrüttete Ehe aufgegeben und bittet ihn, ein paar Tage mit ihr gemeinsam wegzufahren. Er lehnt ab. Er habe Probleme, sagt er. Sie sagt, sie wolle für ihn zahlen. Dieser Angriff, des eigentlich verbindend gemeinten Wortes ist zu viel für ihn. Er legt auf.

Aber es gibt noch Hoffnung. Denn schließlich war die Kommunikation, besonders am Telefon beständig gestört. Man konnte sich mit seiner Hilfe lediglich verabreden, alles andere ging in Störgeräuschen unter. So kommt es nachts in einem Parkhaus zur Aussprache zwischen den beiden verzweifelt Verliebten. Irgendwann fällt die Maske der kulturellen Missverständnisse. Auf einmal stehen sie nackt und ohne schöne Worte voreinander. Als ihm klar wird, dass er diese Frau nur zurückweisen will, weil er die Gesellschaft aus der sie kommt ablehnt, bricht er zusammen. In diesem Punkt der größten Verwundbarkeit, läutet ihr Telefon. Sie nimmt das Gespräch entgegen und lässt ihn ohne ein weiteres Wort stehen.

Sie fliegt nach Belfast, um ihre sterbende Tante noch einmal im Krankenhaus zu sehen. Die beiden verstehen sich, ohne zu sprechen. Zwischen ihnen gibt es ein gewachsenes Verhältnis, das ohne Worte Vertrauen ausdrückt. Das Einzige, was die Sterbende ihrer Nichte mit auf den Weg geben kann, ist der Ausdruck des Bedauerns darüber, dass sie selbst es nie geschafft hat, nach Kuba zu fahren, auf die gelobte Insel Castros. Ein Wort, das wie ein Vermächtnis wirkt. Noch im Krankenhaus ruft sie ihn an und lädt ihn ein, mit ihr nach Havanna zu fliegen. Er aber befindet sich schon in Beirut, bereit ein neues Leben zu beginnen und sich mit den bekannten Strukturen zu arrangieren. Sie macht sich nach Havanna auf und hinterlässt ihm ihre neue Adresse. Vielleicht ist das einzige Wort, das zwei Menschen nicht trennt, wenn sie es sich geben, die einfache, ewig zu erneuernde, Einwilligung: Ja. Yes.

Yes
Regie: Sally Potter
www.alamodefilm.de

  • del.icio.us
  • Facebook
  • Yahoo! Buzz
  • Google Bookmarks
  • MisterWong.DE
  • Technorati
  • Twitter
Noch keine Kommentare.

Was sagen Sie dazu?

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Kommentar abonnieren (RSS)