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Koch-Universität: Schwein

von Nik zu 29. Juni 2010

dollase-schwein1Was kann man zu einem Buch sagen, dass sich Gedanken um das Grundsätzliche in der Küche macht? Ist es das kleine 1X1 des Kochens? Küchenlatein für Laien? Oder doch etwas ganz anderes?

Auf ganz andere Weise deplaziert wirkt Jürgen Dollase. In den Siebziger Jahren Mitglied einer Krautrockband, speist Dollase heute für FAZ und FAS in gehobenen Restaurants. Das schadet nicht – Köche brauchen Esserinnen das verbessert sie von innen. Restaurantkritiker sind weniger nützlich. Dollase geht es, in der Zeitung oder im Kochfernsehn um Grundsätzliches: Er will die Voraussetzungen für eine hoch entwickelte Küche ergründen. Das macht er seriös, aber wie viele deutsche Intellektuelle ist Dollase kein scharfer und präziser Denker, eher ein verquollener. Der Mann kommt nicht auf den Punkt, und das ist nicht nur beim Kochen tödlich.

Viel hat sich getan, seitdem Wiglaf Droste diese Kritik in die Kochwelt entließ und sollte Jürgen Dollase sie gelesen haben, dann hat er aus ihr gelernt. Denn der Gastrokritiker hat eine große Hürde einfach genommen. Bevor er eines Tages seine Gabel weitergeben wird, hat er sich hingesetzt, um messerscharfe Analysen grundsätzlicher Kochpraktiken zu Papier zu bringen.

Damit aber nicht genug: er fügt diese Analysen zu einer Kochschule, die vom Tre-Torri Verlag unter der Überschrift Koch-Universität veröffentlicht wird. Dabei ist es erstaunlich wie grundsätzlich einfach dieser Band aufgebaut ist.

Man braucht keine Vorkenntnisse, sondern lediglich einen Einkaufszettel für den Supermarkt, dann kann es losgehen. Zunächst benötigt man noch nicht einmal einen Herd, denn schließlich beginnt das Kochen in dem Moment, in dem man sich Gedanken macht, sich überlegt, welche geschmacklichen Akkorde verschiedene Zutaten zusammen bilden könnten, wie man die Textur eines Gerichts variieren kann und wie man beim Esser ein schönes Gefühl erzeugt, an das er sich gerne erinnern mag.

Das Dollase sich für dieses Werk das Schwein vorgenommen hat, steht gleichermaßen für eine gedankliche Souveränität wie für eine falsche Einschätzung. Hierzulande wird zwar sehr viel Schweinefleisch konsumiert, gleichzeitig steht dieses Lebensmittel aber unter dem Verdacht minderwertig zu sein. Ein Koch von Welt, so könnte man meinen, arbeitet nicht mit Schwein, er fängt sein Tagwerk mit Jakobsmuscheln und Hummer an und arbeitet sich dann zu ausgesuchten roten Fleischstücken vor. Weit gefehlt, denn Dollase zeigt in seinen kleinen Einschüben, welchen Genuss eine Schweinehaxe oder ein gut zubereiteter Schweinebauch bereiten können.

Dabei sind die Zubereitungsvorschläge nicht kompliziert, sie werden sogar durch die gedanklichen Voraussetzungen, die Dollase trifft – scheut man die Lektüre nicht – gedanklich stringent und damit in der praktischen Koch-Umsetzung einfach.

Nach dem Band 1 der Reihe Kochuniversität, der sich mit dem Thema Tomaten beschäftigt, ist Jürgen Dollase mit „Schwein“ mehr als ein würdiger Folgeband gelungen. Er hat so das Feld aufgespannt für weitere Themen der Koch-Universität. Man darf sich also über den nächsten Band freuen, der sich mit „Geschmack“ auseinander setzt. Welcher Autor wäre für dieses Thema besser geschult, als der Experte der molekularen Küche Thomas Vilgis.

Doch nun genießen Sie das Wissen, das aus dem Schweinebraten duftet…

Santé!

Jürgen Dollase: Kochuniversität: Schwein. Tre Torri Verlag Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-937963-44-0, 128 Seiten, geb., 19,90€

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