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Murakamis Currywurst

von Nik zu 9. Februar 2011

Wer einmal einen Roman von Haruki Murakami gelesen hat, weiß, dass dieser Mann nicht nur Jazz und Klassik hört, sondern dazu auch gerne ein Glas trinkt.

Die Figuren in Murakamis Romanen wirken ein wenig aus der Zeit gefallen. Der Drink, die Musik sind kleine Hinweise für ihren partiellen Autismus. Denn nichts gefällt ihnen besser, als in der Öffentlichkeit alleine zu sein. Wie schön, in einer Bar Gefallen an einem Drink und guter Musik zu gewinnen und die Menschen um sich herum schlichtweg zu vergessen. Vielleicht liegt in dieser Murakamischen Version des Asperger-Syndroms auch der Schlüssel für die globale Fangemeinde seiner Romane. Denn wenn uns die Moderne etwas beschert hat, dann immer neue Möglichkeiten, uns von anderen abzukapseln, uns hinter einem Handy, einem Rechner oder im Home-Office zu verstecken. Umwelt generieren wir dann über Chats und Emailkontakte. Daher sind die Figuren aus dem Murakamiuniversum vermutlich Stilprägend.

Kein Wunder also, dass Murakami auch Jungautoren beeinflusst. So taucht bald im neuen Roman des amerikanischen Schriftstellers John Wray eine Currywurst auf.Natürlich schlägt sofort das Herz eines jeden Deutschen höher, wenn er dies hört. Denn was wäre ein besseres Sinnbild für deutsche Imbissseligkeit als eine Currywurst wahlweise mit Brötchen oder Fritten? Sein Roman, den er in der ruhigen Abgeschiedenheit der American Academy in Berlin entworfen hat, wird sich gespickt mit dieser kulinarischen Zutat hierzulande sicherlich gut verkaufen. Weshalb aber erzählt ein New Yorker Autor, dass er in seinem noch nicht beendeten Roman eine Currywurst einbaut und was hat das mit Murakami zu tun?

Seinen letzten Roman „Retter der Welt“ hat der junge Autor ganz abgeschieden von anderen Menschen komplett unter Leuten geschrieben. Er setzte sich Kopfhörer auf und schrieb diesen Roman begleitet von den Klängen von John Coltrane und Bachs Cellosuiten, während er sich in der U-Bahn quer durch New York fahren ließ.

Kein Wunder, dass dieser Autor eines Tages Haruki Murakami über den Weg läuft. Während Wray in einem New Yorker Restaurant jene besagte Currywurst zu sich nahm, war der Altmeister zugegen und riet dem jungen Kollegen, alles in seinem Roman aufzunehmen, was ihm mundet. Womit die Frage des Japaners auf dem Tisch lag: wie schmeckt seinem Gegenüber dieses undefinierbare Ding in Pelle? Gut antwortete Wray. Na, dann solle er auch darüber schreiben.

Die Produktion von Literatur ist, produktiv verstanden kein hartes Brot, sondern ein leckeres Erlebnis.

Santé!

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Ein Kommentar
  1. Rey permalink

    Das Thema Currywurst wäre es wert, einmal tiefer hinterfragt zu werden. Ich bin seit meiner Jugend ein leidenschaftlicher, aber sehr disziplinierter Currywurst-Esser. In meiner Jugend gab es eine Kneipe mit der besten Currywurst seiner Zeit. Erst Jahre später fand ich wieder eine „beste Currywurst“ in einem Imißwagen vor einem U-Bahnhof. Dann kam viele, viele Jahre nichts, ich unternahm dann auch nur 1-3x im Jahr den Versuch eine neue „beste“ zu finden. Das gelang mir jedoch erst wieder im Jahr 1986, in einem kleinen Vorort meiner Heimatstadt. Dahin pilgerte ich fortan mehrmals im Jahr, fuhr etliche Kilometer, um an diesen Genuss zu gelangen. Zwischenzeitlich war ich gelegentlich in Berlin, wo ich einmal eine angeblich „beste Currywurst in Berlin“ in einem U-Banhof probierte. Grausam! Viel Fett, breiig, als wäre nur Bregen und Fett verarbeitet worden.

    Im letzten Jahr hat nun auch meine „Pilgerstätte“ die Qualität verschlechtert. Offensichtlich ist Geiz immer noch geil. OK, dann geize ich jetzt auch und gehe da nicht mehr hin.
    Schade, wie lange wird´s diesmal dauern?

    Rey

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